ZEN Fotografie in Finnland - eine achtsame Reise durch Eis & Stille
- Gerrit Sauerwald

- 14. Juni
- 5 Min. Lesezeit
In diesem Artikel gebe ich einen Einblick in meine Reise ins nordfinnische Kuusamo und der damit verbundenen Erfahrungen der ZEN Fotografie in Eis und Stille.
Winterzauber in Kuusamo
Hoch in den Norden im tiefsten Winter - das war schon lange mein Traum. Schnee so tief, dass ich darin einsinke und zugefrorene Seen soweit mein Auge reicht.
Zum Jahresanfang war es dann soweit - eine Fotografie-Reise nach Kuusamo, im tiefen Norden Finnlands. Für mein Winterabenteuer packte ich im Wesentlichen Alles ein, was mich bei zweistelligen Minusgraden warm halten würde und natürlich meine Kamera.
Schon bei der Ankunft am Flughafen bot sich mir ein Bild, welches ich so selber noch nie erlebt hatte - Unmengen von Schnee und Eis. Sogar an den dicken Baumstämmen der unzähligen Nadelbäumen war der Schnee seitlich festgefroren. Es war -20 Grad kalt, aber nicht zu meiner Überraschung nicht unangenehm. Die Luft war frisch und klar - wie später auch der Geist in Mitten der Schneewüste.
Ich war mit einer kleinen geführten Gruppe unterwegs - als „Basislager“ diente uns eine riesige massive Blockhütte mit einem ganz eigenen finnischen Charme. Warmes Kaminfeuer, heißer Kaffee und fangfrische Lachsbrote verschönerten nach einem langen Wandertag in der Kälte den erholsamen Ausklang am Abend.

Jeden Tag ging es nach den spezifischen Wünschen der Gruppe auf ein neues Winterabenteuer. Unsere wichtigsten Dinge waren dabei warme Kleidung, passende Schneeschuhe, ausreichend Verpflegung und selbstverständlich unsere Kamera.
Die drei Highlights in unseren täglichen Unternehmungen waren eine abenteuerliche Husky-Tour, eine besinnliche Rentier-Fütterung und eine atemberaubende Sonnenuntergangswanderung durch einen hochgelegenen Nationalpark.
Die Husky-Tour war total aufregend und ließ mich Alles andere für eine Zeit lang vergessen. Das Gefühl, sich auf einem Holz-Schlitten von einem Rudel kräftiger Huskys ziehen zu lassen, war eine ganz besonders Erlebnis. Die lauffreudigen Hunde zogen uns die hoch und runter durch verschneite Winterlandschaften und orientierten sich dabei am Leittier. Zusätzliches Lenken und Bremsen war bei dem langen Schlitten und den hohen Geschwindigkeiten dennoch unerlässlich. Für entschleunigtes Fotografieren gab es dabei keine Gelegenheit, das Schlittenfahren benötigte die volle Aufmerksamkeit. Das zügige Gleiten des schweren Schlitten über die unzähligen Eisseen hatte einen ganz eigenen Spaß-Faktor und stoppte gleichzeitig das innere Gedankenkarussel.
Es war eine Erfahrung ganz im Moment. Nur die Hunde, der Schlitten und man selbst hinten drauf.
Die Rentier-Fütterung hatte da einen vergleichsweise ruhigeren Charakter. Die Tiere zeigten wenig Zurückhaltung und sammelten sich um uns zur Fütterung. Rentiere - insbesondere in einer riesigen Herde versammelt - so nah zu erleben, war außergewöhnlich. Es gab ausreichend Gelegenheit, die Rentiere zu füttern, zu beobachten und im richtigen Moment die Kamera behutsam zum Einsatz zu bringen. Nach der Fütterung setzte sich die komplette Herde zügig in Bewegung und verteilte sich wieder in ihrem gesamten Gebiet.

Im Nationalpark ging es erst einmal einige Zeit mit Schneeschuhen bergauf. Das war eine echt sportliche Wanderung aufgrund des Bewegen mit Schneeschuhen im tiefen Schnee, der eisigen Kälte und dem Kamera-Equipment auf dem Rücken. Dabei eröffnete sich ein fast märchenhafter Anblick - überall bedeckte so viel gefrorener Schnee die Tannen am Hang, sodass diese teilweise aufgrund des Gewichts halb umknickten und dadurch die interessantesten Formen bildeten, welche viel Raum in der eigenen Fantasie ließen.
Oben angekommen konnten wir bei eisigen Temperaturen den Sonnenuntergang bestaunen. Die rötlichen und bläulichen Farben verteilten sich auf glänzenden Schneedecken und riesigen Seen in weiter Ferne.

In einer der letzten Nächte in Kuusamo durften wir Zeuge von den weltbekannten Polarlichtern werden. Wir bekamen von den Einheimischen am Spätabend noch per Bescheid, dass wir die Lichter diese Nacht sehen können. Und tatsächlich schlängelten sich bunte Himmelsfarben bei tiefschwarzer Nacht am Himmelszelt - fast schon eine mystische Atmosphäre. Besser hätte der Abschied aus meinem Winterzauber kaum sein können.
ZEN Fotografie bei Minusgraden
Bei der Reise handelte es sich um eine geführte Reise mit Fokus auf die Fotografie. Genauer - die ZEN Fotografie.
Du denkst dabei wohlmöglich zunächst ganz klassisch an minimalistisch inszenierte aufeinander gestapelte Steine mit Räucherstäbchen – so wie es viele Wellnessoasen inszenieren. Aber die ZEN Fotografie geht sehr viel tiefer.
ZEN ist eine Form des Buddhismus, die den direkten, erfahrungsbasierten Weg zur Erleuchtung betont – jenseits von Worten, Konzepten und dogmatischen Lehren. Im Mittelpunkt stehen Achtsamkeit, Meditation (Zazen) und das einfache, gegenwärtige Leben. ZEN schätzt Stille, Natürlichkeit und das unmittelbare Erleben des Augenblicks.
Wie schon im Artikel über achtsames Fotografieren beschrieben, stellt Fotografie für mich einen Prozess dar. Dieser Prozess ist in der ZEN Fotografie absichtslos – fast schon aus dem Inneren heraus intuitiv. Ich erlebe die absolute Präsenz im Moment mit all seinen Facetten, welche ich mit meiner Kamera einfange. Es ist ein Einlassen auf den gegenwärtigen Moment, ohne diesen Moment oder das letztendliche Motiv verändern zu wollen. Dabei füllt sich der Kopf in diesem Moment mit Leere – ein Blick durch den Sucher möglichst frei von Vorurteilen oder Erwartungen.

Durch tägliche Meditation, kurze Achtsamkeitsübungen in eisiger Natur und fotografischer Neugier konnte ich mich auf den finnischen Winter einlassen. Ich entdeckte einzigartige Formen und spielte mit Kontrasten. Regelmäßig lag ich dabei in meiner Winterkleidung im tiefen Schnee mit der Kamera im Anschlag und erfasste die faszinierenden Landschaftsbilder mit wahrlich allen Sinnen.
Achtsamkeit durch Reduktion
Wir haben uns beim Durchstreifen der Winterlandschaften oft sehr viel Zeit genommen. Jeder in seinem Tempo, wie und wo man wollte. Es ging mir dabei um „Ankommen“, um „hier sein“.
Der viele Schnee dämpft jegliche Geräusche. Durch die Abgeschiedenheit und die kalten Temperaturen gab es fast keine Tiere oder Menschen, welche sich bemerkbar machten. Manchmal stapfte ich ganz alleine durch zauberhafte weiße Wüsten aus Schnee und Eis durch bedeckte Tannenwälder entlang der Seeufer und konzentrierte mich lediglich auf meine Atmung.
Oft gab es nur Eis und Stille.
Die Erlebnisse mit den Huskys und den Rentieren waren natürlich von lebendiger Natur und haben ganz tolle Eindrücke hinterlassen. Aber wirklich achtsam sein konnte ich erst mit mir selbst - während ich mühsam durch den tiefen Schnee stapfte und nahezu frei von Ablenkungen die Umgebung auf mich wirken ließ.
Den ganzen Tag draußen - ohne Musik, Youtube oder ein Buch. Kein Autolärm, keine Vögel, kein Trubel. Nur eisige Kälte und sehr viel weiß. Das Nötigste dabei zum Fotografieren und um nicht kalt zu werden. Reduziert auf wenige Dinge, die unmittelbare Umgebung und sich selbst. Schritt vor Schritt voran, das Knirschen vom zerdrückten Schnee unter den Schneeschuhen, die Kälte im Gesicht.
Es war ein angenehmes Gefühl - von friedlicher und befreiender Natur. Es gab nichts weiter zu tun, als achtsam im Moment zu verweilen. Je nach Moment konnte ich in aller Ruhe Fotografieren wenn mir danach war. Keine Hektik, kein Stress, keine Zielvorgabe.

Durch das achtsame Erleben im Moment und das Fotografieren ohne Absicht oder Ziel kann man eine viel tiefere Verbindung zur direkten Umgebung und sich selbst aufbauen.
Meine Reise durch Eis & Stille lehrte mich diese ganz besondere Erfahrung.
