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Japanische Gärten - Harmonie durch Imperfektion

In diesem Artikel bringe ich dir den Zauber japanischer Gärten näher und gebe Inspiration, wie wir diese fotografieren können.

 



Ausdruck von Harmonie


Als ich vor den Treppen des Shoden-ji Tempel im Norden Kyotos stand, vernahm ich lediglich den Wind in den hohen Spitzen der Baumbusbäume. Ich war offenbar völlig allein an diesem unscheinbaren Tempel, ganz anders als die zahlreichen anderen Tempel in der Stadt, welche teilweise mit großen Reisebussen angefahren und völlig überlaufen wirkten.

Oben am Tempel angekommen, begrüßte mich freundlich eine ältere Dame, wo ich den obligatorischen Eintrittsbeitrag begleichen konnte. Wenige Schritte über die uralten Holzdielen eröffnete sich der Steingarten. 


Stille. Leere. Harmonie.


Es verging etwas Zeit, bis ich meine Kamera aus meinem Rucksack holte. Nur für mich alleine saß ich auf den massiven Holzstufen entlang der Kiesfläche – ein klassischer ZEN-Garten.


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Als Liebhaber japanischer Gärten und der Kultur des ZEN war dies einer der besonderen Momente meiner Reise. Ohne eine konkrete Bildidee nahm ich meine Kamera in die Hand und bewegte mich Schritt für Schritt entlang der Kiesfläche. Das Fotografieren von japanischen Gärten, insbesondere der ZEN-Gärten, fühlt sich für mich sehr intuitiv an. Es ist das Einlassen auf die Stimmung, das Wirken der Stille, das Zulassen der inneren Stille – die Bilder entstehen dabei im Einklang.

Weniger denken. Mehr Sein.

Die Gärten sind so konzipiert, dass wir innere Ruhe und Einklang mit der Natur kultivieren. Bisher habe ich wenige Orte kennengelernt, wo sich die Praxis der achtsamen Fotografie so natürlich entfalten kann. Ein willkommener Ausgleich zur lauten und reizüberfluteten Atmosphäre der Straßen Kyotos.

 

 

 

Vielfalt japanischer Gartengestaltung


Ein japanischer Garten soll im Wesentlichen die Harmonie der Natur ausdrücken. Es ist ein sorgfältig angelegtes Kunstwerk, wo jeder Baum und jeder Stein bewusst platziert wird. Die Kombination aus Felsen, geformten Bäumen, Steinplatten, Bambus, Gräsern, Büschen sowie Brücken oder Brunnen ergeben eine einzigartige Landschaft.

Gleichzeitig darf die Natur ihre Patina dem Garten hinzufügen. Moos oder „Unkraut“ entfaltet sich, abgefallene Blätter liegen verteilt am Boden. Die Vergänglichkeit drückt sich im Konzept das Wabi-Sabi aus: die Schönheit des Unvollkommenen. Trotz oftmals akribischer Gartenpflege behält jeder Garten seine eigene unperfekte Dynamik bei.

 

Die japanischen Gärten haben meist gestalterische Schwerpunkte.


Beispielsweise besteht ein Teichgarten wie der Name vermuten lässt primär aus Teichflächen, wo Wasserelemente und Wasserpflanzen im Vordergrund stehen.

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Ein Moosgarten wiederrum verzichtet in der Regel auf Teichflächen und zeichnet sich durch weitläufige smaragdgrüne Moosteppiche aus. Die Anordnung von Felsen, Gräsern und Bäumen fällt hier stärker ins Gewicht.

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In Abgrenzung dazu gibt es die Steingärten, meist als ZEN-Gärten konzipiert und in der Regel in buddhistischen Tempeln vorzufinden. Hauptbestandteil sind Flächen aus Kies und harmonisch angeordnete einzelne Felselemente. Die buddhistischen Mönche ziehen in ihrer täglichen Praxis mit einem einfachen Rechen feine Linien in die Kiesflächen, welche sinnbildlich das Wasser darstellen sollen.

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Achtsame Fotografie in japanischen Gärten


Das Abbilden japanischer Gärten ist nach meiner Erfahrung intuitiv wie herausfordernd zugleich.

Da die Gärten von Menschen für Menschen geschaffen wurden, trägt jeder Garten eine gewisse Handschrift des Gestalters in sich. Im Gegensatz zur Naturfotografie beispielsweise im Wald ergibt sich hier ein konzipiertes Gesamtbild, welches nicht immer ersichtlich oder gar mit der Kamera einzufangen ist.

Ich persönlich bevorzuge dabei ein lichtstarkes 50mm Objektiv, um ein möglichst natürliches Sichtfeld mit der Möglichkeit geringer Tiefenschärfe abbilden zu können. Um einzelne Gestaltungselemente hervorzuheben, eignet sich eine Offenblende von 1.4 hervorragend.

Da in den meisten Gärten und Tempeln in Kyoto das Verwenden eines Stativs nicht gestattet war, ist eine kurze Belichtungszeit in Kombination mit einem Bildstabilisator von Vorteil.


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Japanische Gärten laden zum Innehalten & Verweilen ein


Durch die vielen unterschiedlichen Gartenelemente und deren oft gestaffelte Anordnung fokussiert sich die Komposition für mich auf den Mittelgrund und Hintergrund. Bäume, Kieslinien und Mauerwerke erfordern Linienführung. An sonnigen Tagen bilden sich Muster aus Schatten, weshalb ich bewölkte Tag für ihr weiches Licht bevorzuge.

Am wichtigsten empfinde ich als Kernelement der achtsamen Fotografie die Zeit – ausreichend Zeit, um innerlich zur Ruhe zu kommen und sich auf die Umgebung einlassen zu können.

Es ist ungemein hilfreich, dem ersten Reflex zu widerstehen und die Kamera eine Weile beiseitezulassen. Hinsetzten, achtsames Schlendern, eine kleine Atemübung oder Meditation – die Stimmung, die Geräusche, der Wind, die Düfte der Pflanzen oder des Holz, Licht und Schatten, Formen, Farben – all das kann auf uns einwirken.

Bei der Betrachtung können wir hinterfragen, wie der Garten auf uns wirkt: Wie wirkt der Ort auf mich? Was hat sich der Gestalter dabei gedacht? Was unterscheidet diesen Garten von anderen Gärten? Welche Elemente ziehen mich besonders an?

Dann können wir uns am Zauber der japanischen Gärten erfreuen und ihre Harmonie auf uns wirken lassen.

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